Vater sein – Von Selbstfindung und dem Wandel im Miteinander – von Jérôme Avé
Ich bin wie viele der Kinder der 80er in einer wilden Patchwork-Situation aufgewachsen. Scheidung der Eltern als ich vier Jahre war. Ein verletzter Kindsvater, der sich um viele angeheiratete Kinder bemühte und dadurch abwesend war – ein Stiefvater, der die zurückgelassenen Kinder aus erster Ehe besänftigen wollte und mit dem gemeinsamen Kind aus der zweiten Ehe genug um die Ohren hatte – TV-Vorbilder wie Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis oder Ed O’Neill?
Männer waren für mich also “harte Kerle”, mit Schlag beim „schwachen Geschlecht“ und gerechtem Zorn den bösen Kerlen gegenüber?!?
Gewalt und Sexualität als Eckpfeiler der persönlichen Geschlechteridentität? Das habe ich als Heranwachsender zu definieren als Werkzeuge und Indikatoren ausprobiert, gewürzt mit Exzessen und Substanzen, um all die Verwirrung und den Schmerz zu betäuben.
Das Alles taugte recht wenig um ein gefestigtes positives Bild vom Mann-sein zu entwickeln und erst recht nicht, um seinem Gegenüber wirklich zu begegnen.
Und trotzdem, oder gerade deswegen wusste ich schon im jungen Erwachsenenalter, dass ich kaum einen größeren Wunsch hegte, als ein „guter Vater“ werden zu wollen.
Aber was sind denn die Indikatoren, um solch eine grandiose Bewertung wie GUT zu erreichen? Was macht einen „guten“ Vater aus?
Das hoffe ich in der Retrospektive irgendwann einmal beurteilen zu können.
Vorerst weiß ich, dass ich mich mag. Als Mensch und auch als Vater. Ich bin meistens mit mir zufrieden und ich kann häufiger mein Handeln wertschätzen, als dass ich das Bedürfnis habe mich für bestimmte Handlungsmuster zu rechtfertigen.
Jetzt bin ich seit knapp fünf Jahren mit meinem Sohn unterwegs. Es gibt neben seiner Mutter kaum einen Menschen, mit dem ich mich so sehr reibe. Es gibt aber auch niemanden, der mir so wichtig ist wie die beiden, deren Urteil mich so bewegt. Niemanden, der mich so schnell aus der Fassung bringt, mich so glücklich macht, mich vor Stolz weinen lässt und einen so großen Stellenwert in meinem Leben einnimmt.
In meinem Sohn erkenne ich viele Facetten meiner eigenen Persönlichkeit. Dinge die mir mein Leben leichter, aber manchmal auch herausfordernder gemacht haben. Mit ihm durfte ich Muster erkennen, die mich seit meiner eigenen Kindheit beschäftigt haben.
Am wichtigsten ist es jedoch, dass ich meinen Vätern all die Dinge nachzusehen gelernt habe und begreifen durfte, was für ein Geschenk es ist, dass ich, genauso wie ich bin, ein enorm wichtiger, aktiver Teil des Lebens meines Kindes sein darf.
Eltern-sein scheint mir manchmal das schlimm-tollste auf der Welt zu sein.
Nur wenn wir die Chance wahr- und annehmen, aktiv an der Erziehung unserer Kinder teilzunehmen und unsere Rolle als Männer und Väter neu zu definieren, dann können wir es als Gesellschaft schaffen toxische Männlichkeit hinter uns zu lassen und auf Augenhöhe miteinander unterwegs zu sein.
Vater, Erzieher, Familylab -Familienberater