Nein, behandle dein Kind nicht wie einen Hund!
Von Mathias Voelchert, Gründer und Leiter familylab
Der Fernsehsender RTL strahlte erstmals am 03.01.2021 eine Sendereihe aus mit dem o.g. Titel.
Das „Experiment“
Ein RTL „Experiment“ an Kindern – und das im Jahr 2021? Wohin treibt uns die Ratlosigkeit der Erwachsenen noch? Dieses „Experiment“ ist gescheitert! Warum? Weil Quote über Menschlichkeit gestellt wird. Weil Eltern ihr Kind nicht wie einen Hund behandeln wollen. Weil Vertrauen schaffen zum Kind, und in sich als Eltern, unspektakulär ist und keine Quote bringt. Was wäre denn das gelungene Experiment? Ein Kind, das funktioniert auf Klick, und das tut, was andere wollen? Nein, behandle dein Kind nicht wie einen Hund!
Die Eltern im „Experiment“ sind in Not, wie viele Eltern. Und sie machen etwas sehr Sinnvolles, sie fragen nach Unterstützung. Allein diese Entscheidung: Wir brauchen neue Ideen, ist beziehungsverändernd. Die Eltern brauchen neue Ideen, nicht das Kind soll parieren! Im Film sind die Eltern so dankbar für neuen Input (und sie wissen schon, dass die Lösung nicht nur einen Klick entfernt ist, sondern, dass es einen guten Kontakt zu ihrem Kind braucht). Eine Mutter ist erschrocken, als sie im Video sieht, auf welche Weise sie mit ihrem Kind spricht (siehe auch Maria Aarts, Gründerin von martemeo in einem Video Ausschnitt). Diese Mutter entspannt sich, und siehe da, das Kind entspannt sich.
Das Zauberwort
Das Zauberwort lautet gute Beziehungen, und für die Qualität der Beziehung sind die Eltern verantwortlich (nicht das Kind!). Wenn sie diese Verantwortung annehmen und immer wieder nach ihrem Anteil fragen, den sie verändern können, statt das Kind zu verändern, machen Kinder mit. Sie machen einfach mit.
Dazu braucht es keine Hundetrainerin. Aber es braucht diese empathische Mutter Aurea Verebes, die selbst drei Söhne hat und gelernt hat, wie Familienbeziehungen sind. Die sich für die Eltern und Kinder interessiert. Man kann deutlich sehen, dass diese zugewandte Mutter (die sich selbst Unterstützung bei einem Fachmann holt) die Familien erreicht. Die Hunde, die Methode, stören mehr als sie nützen! Da Methoden die Eigenschaft haben, sich zwischen die Menschen zu stellen und gute Beziehungen dadurch eher verhindert werden.
Für gute Beziehungen braucht es keine Klicks, das wissen Sie Frau Verebes. Ihr Sohn hat nicht wegen den Klicks besser gelernt, sondern weil es Hoffnung gab, eine gute Lernatmosphäre, eine positive Stimmung: Ich kann das, ich schaff‘ das. Sonst würden ja alle nur noch mit Klickern rumlaufen. Dieselben Ergebnisse wären möglich gewesen, wenn die Familie ihr Verhalten selbst verändert hätte, ohne Filmteam und ohne Frau Verebes‘ Ideen, aber mit Vertrauen in sich: Wir schaffen das. Als Hunde-Trainerin weiß sie, dass es der Mensch ist, der das Verhalten des Hundes geschaffen hat. Deshalb ist es sinnvoll mit den Eltern ihre Hilflosigkeit zu besprechen und das Kind zu informieren, dass die Mama jetzt etwas anderes tun wird.
Die Eltern bringen die Anpassungsleistung
Kein Mensch will ständig schreiende Kinder, Dauerkonflikte. Auch diese Sendung zeigt, dass die Eltern die Anpassungsleistung bringen müssen und ihr Verhalten verändern müssen, dann ändern sich ihre Kinder. Schauen die Eltern freundlich auf ihr Kind, schauen Kinder freundlich zurück. Werden die Kinder ständig gegängelt, ständig ermahnt, ständig falsch gemacht, geben sie das in Form von Frustration und Wut zurück, und können nicht in Ruhe einschlafen. – So wie wir in den Erziehungswald hineinrufen, so schallt es zurück. – Diese Botschaft wollen manche Eltern nicht hören, und versuchen das Kind zu reparieren, zu disziplinieren, nur mit dem Erfolg die Stimmung zu ruinieren und das Kind zu piesacken.
Als Eltern sind wir Anfänger, was diese Lernschritte angeht, weil wir es von unseren eigenen Eltern nicht anderes gelernt haben. In unseren Schulen praktizieren wir bis heute die Fehlerkultur. Schule will bis heute nicht lernen, dass positive Rückmeldungen mehr stärken als negative. Dazu ist jetzt Gelegenheit in unseren Familien. Dazu braucht es aber kein Hund-Kind-Training, nur den Entschluss freundlichen, liebevollen Kontakt zu meinem Kind herzustellen. Das ist in einer Zeit, die auf Funktionieren ausgerichtet ist – ungewöhnlich.
In der ersten Familie sehen wir eine Mutter die erfolglos versucht ihr Kind durch Anweisungen zu steuern. Nachdem sie mit ihrem Kind in Kontakt geht, freundlich eine gute Beziehung schafft, macht das Kind mit. Wäre das ohne Klicks und ‚Teddybär-Rufe‘ möglich gewesen? Klar! Und es wird auch ohne gehen in Zukunft, denn in ein paar Jahren sind diese Interventionen vergessen, und eine hoffentlich nahe, klare, liebevolle Beziehung zwischen den Eltern, und zum Kind, hat sich etabliert. Dagegen rebelliert kein Kind.
In der zweiten Familie will das Kind nicht alleine einschlafen, wenn die Eltern es wollen. Oh, das kennen Millionen Eltern, kleine Kinder brauchen vor allem Sicherheit beim Einschlafen, sie wissen ja noch nicht, dass sie morgens wieder aufwachen. Diese Sicherheit erleben Kinder beim Einschlafen in der Nähe zu Mutter oder Vater.
Die Eltern schildern im Film sehr glaubwürdig, dass sie gerne abends alleine wären. Dazu legen sie das Kind in einem Schlafsack in ein vergittertes Bett. Das gefällt dem Kind nicht, und das drückt das Kind aus: Ich kann so nicht alleine schlafen, ich brauche eure Nähe, bitte helft mir. Dafür brauchen Sie offensichtlich Hilfe.
Es ist der Job der Eltern ihre eigenen Bedürfnisse und die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen. In den ersten Jahren haben die Bedürfnisse des Kindes Vorrang. Es ist nicht leicht für die Eltern, sich in dem ganzen Stress Ihre Nähe und Liebe zueinander zu bewahren. Allein das Anerkennen und das Aussprechen dieser belastenden Phase macht es uns Eltern ein bisschen leichter.
Ein gutes Buch dazu: Schlaf gut Baby von Herbert Renz-Polster, Nora Imlau
Fazit:
An gleichwürdigen Beziehungen kommt niemand vorbei, der sein gegenüber mag, oder gar liebt. Dazu braucht es keine Methoden, nur Liebe und Zuversicht. Mit ein bisschen Anleitung schaffen es Eltern den liebevollen Kontakt zu ihren Kindern wieder herzustellen.
Mathias Voelchert
Foto von Victor Grabarczyk auf Unsplash