Das Nein: Die schwierigste und auch die liebevollste Antwort – von Britta Peitz
„Grenzen setzen“ ist eines der größten Konfliktthemen im Umgang mit unseren Kindern. Was kann ich ganz konkret tun, wenn meine Tochter an der Supermarktkasse einen Wutanfall bekommt, weil sie die dort ausgelegten Naschi nicht haben darf? Wie schaffen wir es die Wut und den Frust unserer Kinder anzunehmen und auszuhalten, ohne selbst in Rage zu kommen?
Unsere eigenen Grenzen zu spüren und diese unserem Gegenüber zu vermitteln, ist ein täglicher Bestandteil im Miteinander. Sind Erwachsene untereinander für sich selbst verantwortlich, haben wir als Eltern die Aufgabe unseren Kindern den emotionalen Umgang, dem Wahren und Setzen von Grenzen, beizubringen.
„Immer dieses Theater an der Kasse. Ich habe dir schon hundertmal gesagt, dass ich dir die Naschi an der Kasse nicht kaufe. Warum verstehst du das nicht endlich!“.
So reagieren wir oft in stressigen Momenten. Hier sind wir nicht bei uns und unseren persönlichen Grenzen. – Doch schauen wir uns die oben beschriebene Situation noch einmal ganz genau an: Zwei unterschiedliche Bedürfnisse treffen aufeinander und es kommt zu einem Konflikt um Naschis.
Kooperiere ich nun mit meinem Kind und kaufe die Naschi, so dass „Ruhe“ ist und mir die peinliche Szene erspart bleibt? Oder setze ich auf meine Integrität, mein Bedürfnis und die Vermittlung meiner Werte? Wichtig ist zu verstehen, dass die konfliktlose Gemeinschaft eine Illusion ist. Der Konflikt ist ein absolut notwendiger Bestandteil von zwischenmenschlichen Beziehungen, er lehrt uns und unseren Kindern viel über uns selbst und über andere. Ständig die Konflikte zu scheuen, sich aufzuopfern und somit defensiv zu entscheiden, macht auf Dauer nicht glücklich. Umgehe ich so die Konflikte, werden sie ziemlich sicher an der ein oder anderen Stelle wieder „aufploppen“. Denn eigentlich geht es bei dem oben genannten Beispiel um viel mehr. Treffe ich eine verantwortungsbewusste Entscheidung, fördere ich auch die Eigenverantwortung beim Kind. Dies funktioniert in dem ich das Bedürfnis nach Naschi wahrnehme, klar benenne und mit einbeziehe:
„Ich sehe, dass du die Naschi haben möchtest. Ich möchte dir diese nicht kaufen.“ Jede Erklärung und jede Bitte um Verständnis, wäre zu viel gesagt. Oft kommen wir in einen Rechtfertigungsmodus, der alles nur noch schlimmer macht. Selbst wenn wir versucht sind, auf die dann anrollende Gefühlswelle unserer Kinder von Wut und Frustration mit aufzuspringen oder ihr Bedürfnis zu bewerten, ist es wichtig, bei sich zu bleiben. Denn so würde das Ganze im Machtkampf enden, bei dem es leider nur Gewinner*innen oder Verlierer*innen geben kann. Jesper Juul – der dänische Familientherapeut – sprach in diesen Zusammenhängen immer von Eltern als Leuchtturm: Standhaft, klar und friedvoll. Laut Juul ist
„das Nein (…) die schwierigste und gerade deshalb auch die liebevollste Antwort. Sie erfordert am meisten Umsicht, Engagement, Ehrlichkeit und Mut“.
Das Nein zeigt auch, ich habe volles Vertrauen in dich, dass du die Frustration aushältst. Es geht beim Grenzen setzen nicht um Macht, sondern um die Qualität der Beziehungen. Betrachten wir das „Nein“ als „Ja“ zu uns selbst. Den Konflikt in etwas Konstruktives zu wandeln, ihn nicht zu scheuen und Ruhe zu bewahren, schafft langfristig eine positive Stimmung. Letztlich ist es wichtig, dass die Würde aller Beteiligten gewahrt wird und keiner falsch gemacht wird. Wir begleiten unsere Kinder dabei, den Umgang mit Konflikten zu lernen und natürlich werden wir es nicht immer schaffen, ganz bei uns zu sein. Auch wir sind `mal wütend oder traurig oder einfach zu müde, um den Konflikt konstruktiv zu begleiten. Das ist auch völlig okay und authentisch. Es braucht viel Übung, einen aufrichtigen Dialog im Familienleben zu schaffen, aber es lohnt sich allemal.
Buchtipp:
“Deine Grenze ist mein Halt – Kindern liebevoll Stopp sagen”
Nora Imlau – Bestseller Autorin und Journalistin für Familienthemen – schreibt in ihrem neuen Buch „Meine Grenze ist dein Halt – Kindern liebevoll Stopp sagen“, dass Grenzen weder hart noch streng sein müssen. Es ist ein wunderbares Buch mit erfrischenden Lösungen und vielen Beispielen aus ihrem Familienalltag mit 4 Kindern. Es zeigt wie ein bewusster Umgang mit Grenzen die Familie stärken kann und gibt viele wertvolle Impulse.