liebesschloss-am-gelaender

Das ist der häufigste Konflikt in Paar-Beziehungen – und wie Sie ihn lösen

Quelle: Interview von Gina Louisa Metzler mit Mathias Voelchert für Focus Online

Wenn Paare mit ihrer Beziehung nicht glücklich sind, kann das die unterschiedlichsten Gründe haben. So individuell jeder einzelne Mensch ist, so einzigartig sind auch die Auseinandersetzungen innerhalb einer Partnerschaft. Und doch lassen sich Trends ausmachen, Probleme, die in Partnerschaften besonders häufig auftauchen. Ein Konflikt sticht dabei hervor. Mathias Voelchert beschreibt ihn so: “Einer der häufigsten
Konflikte in Paarbeziehungen ist, den anderen anders haben zu wollen als er ist.”
Voelchert ist Gründer und Leiter von FamilyLab – die Familienwerkstatt und arbeitet als Coach seit Jahrzehnten mit Familien, Paaren, Schulen und Unternehmen.

“Wenn ich dich anders haben will als du bist, geht’s in die Hose”, bringt Voelchert es im Interview mit FOCUS Online noch einmal nonchalant auf den Punkt. Denn wer nicht in der Lage ist, den Partner so anzunehmen wie er ist, wird keine glückliche Beziehung erleben. “Für jede Beziehung – egal, ob von Eltern zu Kindern, oder in Paarbeziehungen – ist es ein ganz entscheidender Faktor, den anderen so anzunehmen, wie er ist. Und das ist gleichzeitig auch die große Kunst”, sagt der Münchner. Es ist deshalb eine große Kunst, weil es mit uns selbst zu tun hat – nicht mit unserem Partner. Wer eine glückliche, harmonische Beziehung will, der muss in der Lage sein, sich selbst den Spiegel vorzuhalten. Er muss sich trauen, dort hinzuschauen, wo er vielleicht jahrelang nicht hinschauen wollte: Auf die eigene Vergangenheit, auf die eigene Entwicklung, auf die eigenen Herausforderungen. “Wenn ich ständig an dem anderen rummeckere, ist das ein Zeichen dafür, dass ich selbst nicht in Balance bin. Und dann
stellt sich die Frage, warum das so ist. Denn der Partner ist ja vielleicht sogar bereit, sein Verhalten zu verändern. Aber damit allein bin ich mein wahres Problem nicht los”, sagt Mathias Voelchert. “Wenn in einer Paarbeziehung zum Beispiel der Mann aufhört, abends fernzusehen, weil die Frau ihm das immer vorgeworfen hat, kommen die beiden nicht automatisch gut ins Gespräch miteinander, nur weil der Mann nicht mehr fernsieht und sich
dadurch die Gelegenheit bietet. Sondern, da ist ja vorher schon viel passiert, was die beiden auseinandergebracht hat. Und darum müssen sie sich kümmern.” Wer feststellt, dass er genau diesen Konflikt in der Beziehung hat; wer unglücklich ist, weil der Partner sich nicht so verhält, wie man sich das wünscht – der muss sich die Fragen stellen: Was steht meiner Selbstliebe im Weg? Und: Warum bin ich mit mir selbst nicht im Reinen?“Wenn ich Harmonie will, muss ich selbst akzeptieren, dass die anderen anders sind als ich”, sagt Voelchert. “Und dann ist der Konflikt da, wo er hingehört, nämlich bei mir. Ich mach die anderen dann nicht dafür verantwortlich, dass sie anders sind, als ich sie haben will.” Wenn es zu Konflikten in einer Beziehung kommt, sollte jeder einzelne also zunächst einen Blick auf die eigenen Baustellen werfen – und sich fragen: Wie geht es eigentlich mir? Voelchert erklärt:
“Das Ganze hat mit Selbstbejahung zu tun: Ich bin okay, wie ich bin. Und wenn ich okay bin, muss ich nicht an dir rumnörgeln. Wenn ich okay bin, wie ich bin, habe ich viel weniger Motivation, auf dich zu schauen und an dir rumnörgeln zu wollen, denn ich bin ja mit mir im Reinen. Diese Selbstbejahung ist nur möglich, wenn ich mit meinem Sozialisationsprozess weitgehend im Reinen bin. Und das sind nicht viele.” Der eigene Sozialisationsprozess betrifft das Aufwachsen eines Menschen in einer bestimmten Umgebung und in einer bestimmten Gesellschaft. Einfach ausgedrückt könnte man auch sagen: Wer sich selbst nicht so akzeptiert, wie er ist und in der Folge auch Schwierigkeiten hat, andere Menschen wie den
eigenen Partner so anzunehmen, wie sie sind – der sollte sich mit der eigenen Kindheit auseinandersetzen. Sich die Frage stellen: Was ist damals passiert, als ich klein war? Voelchert beschreibt, dass viele Menschen aggressive Sozialisationsprozesse erlebt haben, manche sogar Traumatisierungen. Es sei wichtig, sich mit der eigenen Geschichte zu befassen. Er betont aber auch: “Man ist heute nicht mehr das Kind mit einem Jahr, oder mit
drei Jahren oder mit sieben Jahren. Sondern man ist heute als Erwachsener in der Lage, damit umzugehen.” Das sei vor allem für Eltern naheliegend, denn mit der Geburt des Kindes laufe parallel noch einmal das Erleben ab, wie es in der eigenen Kindheit war. Letztendlich lassen sich die meisten Beziehungsprobleme in einer einfachen Formel erklären. Voelchert: “Der Paarkonflikt ist immer ein Konflikt mit sich selbst.” Wer sich von seinem Partner trennt, oder es zumindest in Erwägung zieht, der trennt sich in Wahrheit von dem Menschen, der er selbst geworden ist in dieser Beziehung.
Vielleicht konnte derjenige nicht der Vater oder die Mutter sein, die er sein wollte. Vielleicht hat man sich ein gemeinsames Leben geschaffen, das man gar nicht wollte. Doch die gute Nachricht ist, dass man es selbst geschaffen hat. Was man selbst geschaffen hat, das kann man auch selbst verändern.
Das wiederum bedeutet, dass man sich selbst ändern muss, dass man sich mit sich selbst versöhnen muss, sich selbst der beste Freund werden muss. Nur wer sich mit sich selbst verbündet, kann sich auch mit einem anderen Menschen verbünden. “Die Lösung in der Paarbeziehung ist immer über mich und meine Veränderung”, betont Voelchert. “Wenn einer immer nur fordert, dass der andere sich verändern soll, dreht man sich
nur im Kreis. Es verändert sich erst etwas, wenn wir selbstbereit sind, an uns zu arbeiten.”

Quelle: Interview von Gina Louisa Metzler
mit Mathias Voelchert für Focus Online

Artikel als PDF

Foto von Noë Baeten auf Unsplash

 

Scroll to top