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Wie geht das mit den Grenzen?

Kinder suchen Grenzen! Kinder brauchen Grenzen! Diese Aussagen scheinen wir für wahr zu halten. Aber dem ist nicht so.

Kinder suchen keine Grenzen. Kinder suchen Kontakt.

Kinder wollen ihre Eltern und andere Erwachsene kennenlernen. Sie wollen wissen wer diese wirklich sind. Sie suchen nach der authentischen Persönlichkeit von Vater und Mutter. Und natürlich treffen sie dabei auf die Grenzen der Eltern und überschreiten diese auch immer wieder. Kinder wollen wissen: Ist dieses Ja wirklich ein Ja? Ist dieses Nein wirklich ein Nein? Kinder suchen Authentizität und spüren, wenn Menschen nicht authentisch sind. Wenn ich Nein sage, aber ein schlechtes Gewissen dabeihabe, dann spüren die Kinder das. Da ist es besser zu sagen: „Ich muss erst kurz überlegen, ob ich dir das erlauben will oder nicht. Ich gebe dir in einer Stunde Bescheid.“ Das ist authentisch und der Erwachsene nimmt sich selbst ernst.

Kinder brauchen Menschen um sich, die ihre eigenen Grenzen und Bedürfnissen ernst nehmen.

Grenzen per se haben keinen Wert, aber Kinder brauchen unbedingt Menschen, die sich selbst spüren können, die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und sich selbst ernst nehmen. In Beziehungen spielt die Wahrung der eigenen Grenzen eine wichtige Rolle. Grenzen ergeben sich aus meinen Bedürfnissen heraus. Sie ergeben sich aus dem, was ich will und nicht will, was ich mag und nicht mag. Daher ist es gut, wenn Eltern von sich reden: „Ich mag nicht alle Tage Boden wischen. Daher will ich, dass das Haus ohne Schuhen betreten wird.“ oder: „Ich will heute ab 20 Uhr Zeit für mich, daher will ich, dass alle Kinder um diese Zeit in ihrem Bett/Zimmer sind.“

Leider äußern wir Grenzen häufig mit Kritik:

„Schalte die Musik leiser! Siehst du nicht, dass ich das nicht vertrage. Wie oft soll ich dir das noch sagen?!”

Wenn Eltern ihre Grenzen mit einer persönlichen Sprache klar ausdrücken, also über sich selbst sprechen, was sie wollen und nicht wollen, dann ist das eine warme Kommunikation, denn die Eltern zeigen sich wie sie sind. Das verschafft den Eltern persönliche Autorität und Kinder lernen ihre Person zu respektieren.

„Ich will nicht, dass du so laut Musik hörst.“ Jugendliche: „Aber gestern war es dir egal.“ Mutter: „Ja, gestern war es mir egal, aber heute nicht. Ich bin müde. Ich will, dass du die Musik jetzt etwas leiser machst. Danke.“ Hier gibt es keine Kritik am Kind, wie beim oberen Beispiel, dafür aber eine klare Aussage des Erwachsenen.

Kinder lernen was ihnen vorgelebt wird – auch in Konflikten.

Wenn man beim Setzen der Grenzen die Grenzen der Kinder missachtet, indem man sie kritisiert oder beleidigt, dann lernen diese nicht was ihnen gesagt wird, sondern was ihnen vorgelebt wird. Sie lernen, dass man andere in ihren Grenzen verletzten darf, um die eigenen zu wahren. Somit werden sie auch immer mehr die Grenzen der Eltern verletzten. Wenn Eltern hingegen über sich selbst sprechen ohne die Kinder zu kritisieren, dann lernen die Kinder, wie man sich abgrenzt ohne dabei den anderen zu verletzen.

Für kleine Mädchen ist es wunderbar, wenn sie eine Mutter haben, die gut auf die eigenen Grenzen schaut und nicht immer zur Verfügung steht. So lernt auch das Mädchen: wir Frauen dürfen uns selbst ernst nehmen und uns anderen gegenüber abgrenzen. Natürlich gilt das auch für Jungen und Väter.

Wenn man mit Konsequenzen droht, dann hat man beziehungsmäßig aufgegeben.

Die Eltern erwarten dann nicht mehr, dass das Kind ihre Persönlichkeit respektiert, sondern hoffen darauf, dass das Kind genug Angst vor den Strafen hat. Und da stellt sich die wichtige Frage: „Will ich, dass das Kind mich respektiert? Oder will ich, dass es Angst vor den Strafen hat?“ Wenn ich will, dass das Kind mich respektiert, dann sollte ich mich so zeigen wie ich bin und darüber sprechen, was ich will und was ich nicht will. Das schafft Nähe und Wärme in der Beziehung. Kinder wollen ihre Eltern kennenlernen und je authentischer diese sind, desto leichter fällt dies den Kindern.

Quelle: www.familie.it

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