Immer Protest bei Übergängen
Frage: Wir haben immer Theater, wenn es um Übergänge geht.
Beispiel: Wir sind mit den Kindern daheim und wir möchten raus, um etwas zu unternehmen. Es gibt immer Protest: „Ich mag nicht!“ und so weiter. Wenn wir dann unterwegs sind, also die anstrengende Protestwelle überstanden haben, gefällt es den Kindern meist und es gibt dann aber wieder großen Protest, wenn wir heim gehen wollen. Das gibt es in so vielen Situationen: Ein Zoobesuch, oder wenn ich das Kind im Hort abholen will:
„Nein, du bist zu früh, ich will noch spielen!“ Das bekomme ich dann an den Kopf geworfen. Wie kann ich das besser lösen?
Antwort:
Liebe Eltern und Bezugspersonen,
ja, Übergänge sind herausfordernd, nicht nur für Kinder und Jugendliche. Und obwohl wir Erwachsenen sehen, wie wichtig deren Begleitung ist, geraten wir dabei gehörig unter Stress. Wieso sperren sich die Kinder, wir wissen doch, dass es ihnen meistens gefällt, sobald wir unterwegs sind? Und wozu dient eigentlich dieses ständige „Nein“-Sagen?
Die Art, wie Eltern diesen Gefühlswallungen und Herausforderungen, die manche Übergänge begleiten, begegnen, ist von großer Wirkung für die gesamte Familie. Hier zeigt sich: Wer hat hier wann das Sagen? Wie wird verhandelt? Was muss? Was kann? Was geht gar nicht?
Und diese Fragen werden täglich neu gestellt, je nach Konstellation der Gruppe, je nach Alter und Entwicklungsstufe der Kinder, je nach Stress und Druck durch äußere oder persönliche Bedingungen. Die Botschaft ist meist für das Beziehungsleben wegweisend und essenziell, denn es geht für alle Beteiligten, aber besonders für die Kinder, um das Erleben von Sicherheit, Empathie und Gleichwürdigkeit. Ein wirklich gehaltvolles Thema, von dem alle profitieren und viel voneinander lernen können.
Da ich Sie als Familie nicht persönlich kenne, lassen Sie bitte meine Gedanken und Formulierungen nicht unter Ihre Haut gehen, sortieren Sie bitte aus, was für Sie stimmig und anregend ist.
Aus Ihrer Beschreibung lese ich zum Beispiel folgendes Thema heraus: „Die Kinder sind daheim und wir möchten raus, um etwas zu unternehmen“. Ist die Idee, etwas zu unternehmen, eine gemeinsame Idee oder denken Sie als Eltern, das muss jetzt sein, wir müssen alle an die Luft!? Und Sie entscheiden für alle, auch weil die Stimmung, wenn die Kinder/Jugendlichen „nur rumhängen“, schwer erträglich ist?
In solchen Situationen erleben Sie wahrscheinlich weniger Ablehnung, wenn Sie den Kindern von Ihrer Idee/Ihrem Wunsch „etwas gemeinsam unternehmen zu wollen“ erzählen und sie zunächst zu deren Wünschen befragen. Ja, das kann dann zu einem interessanten Prozess führen, in dem alle etwas über die Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder erfahren. Wer will in den Zoo, wer hat andere Vorschläge, welches Bedürfnis überwiegt?
Können Kinder die Erfahrung machen, dass sie in ihrer jeweiligen Alters- und Entwicklungsstufe von den Erwachsenen gleichwürdig angesprochen und im Prozess der Entscheidungen mitgenommen werden, wirkt sich das positiv auf ihr Selbstgefühl aus.
Wenn alle gehört (nicht abgefragt) und von den Erwachsenen nicht bewertet werden, fühlen sich alle wertgeschätzt. Meist kommt dann auch eine gemeinsame Lösung zustande und es wird verstanden, dass nicht alles auf einmal geht. Dennoch kann es bei unterschiedlichen Wünschen nötig und stimmig sein, dass Sie als Eltern nun die endgültige Entscheidung treffen. Mit der Vereinbarung, alle offenen Ideen aufzuschreiben und sie auch später umzusetzen, könnte es mit weniger Gemaule gelingen, bald loszukommen. Dieser Prozess schärft das Bewusstsein für die persönliche Verantwortung, die jedes Mitglied der Familie für sein Wohlbefinden hat. Die Kinder und Jugendlichen erleben sich als kompetent und werden ernst genommen.
Können Kinder die Erfahrung machen, dass sie in ihrer jeweiligen Alters- und Entwicklungsstufe von den Erwachsenen gleichwürdig angesprochen und im Prozess der Entscheidungen mitgenommen werden, wirkt sich das positiv auf ihr Selbstgefühl aus. Ablehnende Reaktionen wie beispielsweise auf das Erscheinen im Hort weisen darauf hin, wie sehr die Kinder im Hier und Jetzt leben, und wie schwierig die Bereitschaft ist, etwas abzuschließen und neu zu beginnen. Daher überrascht sie der Richtungswechsel, der durch Ihr Auftauchen deutlich wird, dann auch so. Mit der Aussage (wie oben beschrieben): „Nein, du bist zu früh…. zu spät….etc.“ teilen sie aus ihrer Perspektive meist nur mit: „Ich kann jetzt nicht sofort deiner Ansage/Aufforderung/deinem Wunsch folgen. Komm doch bitte erst einmal in meine Welt und gebe mir Zeit.“ Dieses Nein beschreibt das Gefühl des Kindes, nicht so plötzlich folgen zu können.
Ein angenehmerer Übergang gelingt vielleicht, wenn Eltern sich vor ihrem Erscheinen den Moment gönnen, um erst einmal für sich klar zu werden, wie viel Zeit und Geduld sie für das Abholen heute tatsächlich haben, oder ob der Übergang jetzt schnell gehen muss? Beides ist dabei gleich wichtig. Oft hätten wir Zeit, um zu warten, bis das Kind mit seinem Vorhaben fertig ist. Warum also nicht erst einmal ankommen, schauen, was macht mein Kind gerade, womit ist es oder sind die Kinder, die ich abholen will, beschäftigt? Aus der Beobachtung kann sich eine gleichwürdige Ansage ergeben, zum Beispiel: „Hallo Moritz, ich sehe, du bist noch ganz im Spiel. Ich bin jetzt da und will bald gehen, kannst du dein Spiel beenden?“ Je nach Alter könnten Sie auch fragen: „Wie lange brauchst du, um dein Spiel zu beenden? 3 Minuten, 5 Minuten? Ok.“ Und Vorsicht! Beim Abholen aus Kita und Hort ergibt sich oft eine für die Kinder schwer zu verstehende Situation, denn sobald Erwachsene warten müssen, stellen sie sich in Grüppchen zusammen und führen Gespräche. Daraus lesen die Kinder wiederum: „Ach, jetzt ist noch Zeit“, bis dann die Erwachsenen doch wieder plötzlich fordern: „Jetzt aber los, ich warte schon so lange“. Jedoch hat es für die Kinder nicht ausgesehen, als ob die Eltern warten würden.
In den meisten Übergängen ist es eher hilfreich, wenn die Eltern präsent sind beim Warten. Oder Sie sagen, dass sie in der Wartezeit mit den anderen Eltern reden, aber sobald das Kind fertig ist, sie gemeinsam gehen werden. Das gibt Sicherheit und signalisiert, dass Sie auf das Bedürfnis des Kindes eingehen und dennoch die Führung behalten.
Falls Sie keine Zeit haben, ist es wichtig das zu formulieren: „Ich habe es eilig, ja, ich verstehe, du brauchst noch, um dich zu verabschieden und das gefällt dir nicht. Bitte schließe dein Spiel ab, ich möchte gleich mit dir losgehen. Wenn du willst, helfe ich dir.“ Damit spürt das Kind, dass es Ihnen ernst ist, sie aber noch ruhig genug sind. Es wird sicherlich trotzdem seinen Frust äußern, und das ist ja O.K., denn Sie sind ja nun da und es hat meist viel erlebt und gelernt, und braucht ihre wohlwollende und klare Begleitung als Wegweiser beim Übergang.
Dieser Artikel erschien im Rahmen der Good Enough Parents „Elternberatung“. Mehr Artikel aus dieser Reihe findest du auf steady.page.

Astrid Draxler berät Eltern als systemische Paar- und Familientherapeutin. „Als familylab-Seminarleiter*innen-Trainerin beeindruckt mich die Fülle der Perspektiven, die über die Werte Jesper Juuls mit den Fachleuten aus verschiedensten Professionen bearbeitet werden können.“ Sie ist Autorin und Weiterbildnerin des FenKid-Eltern-Kind-Konzepts für Kursleiter*innen und pädagogische Fachkräfte.